Feuerwehrmann aus Forst kämpft sich zurück

Gesundheit: Eine Schlaganfall-Serie stellt das Leben von Feuerwehrmann Ronny Woick (48) aus dem Forster Ortsteil Bohrau auf den Kopf. Der Helfer ist plötzlich selbst auf Hilfe angewiesen – und kämpft sich zurück. Von Margit Jahn

Ronny Woick repariert gerade eine Dichtung an der Heizungsanlage, denn es wird Herbst und damit langsam kalt im beschaulichen Dorf Bohrau bei Forst an der NeiBe. Anschließend will er gleich das Feuer entfachen, um für wohlige Wärme zu sorgen. “Ich habe mit der rechten Hand den Holzscheit gegriffen und wollte ihn mit links in den Ofen stecken. Aber das Holz ist in meiner linken Hand nicht angekommen.”

Feuerwehrmann Ronny Woick (48) aus Bohrau bei Forst kamprt sich nach drei Schlaganfällen ins Leben zurück.

Im unendlichen Nebel

Diesen unwirklichen Moment hat er im Hirn abgespeichert, alles andere ist im unendlichen Nebel versunken. Das Holzstück lag vor ihm, sein rechter Arm hing kraftlos herunter. Kein Muskel reagierte. Ein Schlaganfall hat ihn getroffen.

Zum Glück stand die Mutter wenig später in der Tür. Denn es war Zeit für die Kaffeerunde der Familie, ein lieb gewordenes Ritual an den freien Wochenenden. Dass es lebensrettend für Ronny Woick wurde, hat sich schnell herausgestellt. Denn ein Schmerz im Kopf trifft ihn.

“Als wenn jemand einen Nagel in den Kopf schiebt”, beschreibt der Bohrauer das Gefühl. “Ich bekam starke Kopfschmerzen, mir ist schwarz vor Augen geworden und ich fiel kopfüber in die Holzkiepe, die vor mir stand.” Mit letzter Kraft zieht er sich am Ofen hoch. Nach dem zweiten Schlaganfall innerhalb von Minuten.

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Familie handelt richtig

Seine Lebensgefährtin Manuela Reschke schleppt ihn ins Wohnzimmer auf das Sofa. “Ich habe alles mitgekriegt, konnte mich aber nicht bewegen”, erzählt er. Nach dem folgenden dritten Schlaganfall weiß er nichts mehr. Der Notarzt versorgt Ronny Woick sehr zeitnah, er kommt schnell in die Klinik.

Spazlergang mit Gehhilfen auf dem Radweg entlang der Nelße hinter dem Wohnhaus.

Zu viel zugemutet

Heute weiß der Feuerwehrmann, er hat seinem Körper lange zu viel zugemutet -bis der die Notbremse gezogen hat. Brachial. Der Beruf als Servicetechniker für Einbruchsmeldetechnik und Videoüberwachung in Cottbus fordert den Forster. In seinem Heimatdorf Bohrau ist der Brandmeister seit vielen Jahren stellvertretender Ortswehrführer der freiwilligen Ortswehr und auch Ausbilder für alle aktiven Mitglieder.

Das Helfer-Gen hat er ausgeprägt intus. Im Förderverein der Dorfgemeinschaft Bohrau arbeitet er im erweiterten Vorstand mit. Weil der Verein auch für die Feuerwehr zuständig ist und deren Belange vertritt, erklärt Ronny Woick. Im Gemeindekirchenrat ist er gewähltes Mitglied. Wenn es um sein Heimatdorf geht, ist er immer aktiv und ganz vorn dabei.

Der Fahrdienst Sommer begietet den Pateinten zur regelmäßigen Therapie.

Nicht immer entspannend

“Ich hatte immer gute Ideen, und mit mir kann man gut diskutieren“, begründet er all seine Mitgliedschaften, die er auch mit voller Kraft ausfüllt. Entspannend ist es selbst im Angelverein an der idyllischen Neiße nicht immer. Auch weitere Pflichten und Arbeitseinsätze sind damit verbunden. Partnerin Manuela macht sich wegen der angeschlagenen Gesundheit und einer Vorerkrankung von Ronny Woick schon lange Sorgen.

Jetzt hat es ihn voll erwischt. Im Krankenhaus kann sich der Bohrauer an nichts erinnern. Eine brutale Zeit beginnt für den sonst so aktiven Mann: der Kampf zurück ins Leben.

“Die Schwester hat mich in der Klinik täglich nach dem Datum gefragt. Ich habe es heimlich vom Kalender abgelesen, der an der Wand hing.” Die Pfleger freuten sich über die richtige Antwort.

Doch der Schwindel flog auf, als die Schwester irgendwann mal nicht weit genug zur Seite gegangen war.
Die Folgen des Schlaganfalls beschreibt der Forster so: “Es ist gewesen, als ob ich Gummi oder Honig im Kopf hatte. Alles fühlte sich so zähflüssig an. Selbst wenn Leute normal sprachen, war es schwer für mich, dem Gesagten zu folgen”.

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Der lange Kampf zurück

Gegen den Zustand kämpft der Forster auch noch nach mehr als einem Jahr an. „Ich komme schnell an meine Grenzen. Abends habe ich Sprachausfälle, jeder zweite oder dritte Satz bleibt stecken. Auch das Laufen fällt mir abends schwer.”

Das Sprechen und Laufen musste Ronny Woick ganz neu lernen, Gedächtnisleistungen wieder antrainieren. Das ist ein unendlich langsamer Prozess. Auf der Straße erkennt er gute Bekannte nicht wieder. Das ist eine Belastung für den aktiven Mann. Denn gute und schlechte Erinnerungen kann er nicht mehr teilen. Auch für schlaflose Nächte sorgt das.

Sein Gedächtnis vergleicht der Feuerwehrmann mit einem groBen zerstörten Autobahnkreuz. Der normale Weg ist versperrt, er muss abfahren, völlig unbekannte Umwege nehmen. Und “ich brauche Hilfe beim Zusammensetzen des Weges”, sagt er.

Ronny Woick beim Training mit Therapeut Michael Weber.

Das Leben verändert

Nach neun Monaten läuft er wieder, mit Gehhilfen. Langsam, aber es geht voran. Die Neißelandschaft mit dem gut begehbaren Radweg ist sein tägliches Ziel. Der Rollator von der Reha ist Geschichte. Nach Monaten. Zum Glück. Aber Geduld mit sich selbst ist nicht seine große Stärke. ,,Er ist jetzt schon wieder den ganzen Tag am Organisieren“, sagt Lebensgefährtin Manuela.

“Ich kämpfe dafür, dass Bohrau als Feuerwehr eigenständig bleibt”, sagt Ronny Woick. Sein Engagement treibe ihn auch an, sich nach den Schlaganfällen nicht in sein Schicksal zu ergeben. Die frühe Verrentung wegen anstehender Arbeitsunfähigkeit ist schwer für ihn zu akzeptieren.

Die Krankheit hat für Ronny Woick viel verändert. Er muss nicht nur seinen Körper neu verstehen lernen. Menschen, denen er sich über viele Jahre verbunden fühlt, wissen plötzlich nicht, wie sie mit ihm umgehen sollen. Einige ziehen sich zurück. “Das tut weh”, sagt der Bohrauer. “Aber es gibt nun auch Menschen in meinem Leben, von denen ich zuvor nicht gedacht habe, dass sie so selbstlos helfen”, ergänzt er leise.

Selbsthilfegruppe

Betreut wird Ronny Woick über viele Monate vom Forster Physiotherapeuten Michael Weber (61). Der gebürtige Baden-Württemberger praktiziert im Gesundheitszentrum und ist spezialisiert auf Physio- und Schmerztherapie. Und er kennt auch aus eigener Erfahrung, wie schwer der Weg zurück ins Leben für Schlaganfallpatienten ist. Er hat selbst einen erlitten.

Beide Männer sind gute Freunde geworden und gründen eine Schlaganfall-Gruppe in Forst. Nach Cottbus zu Selbsthilfetreffen zu fahren, sei einfach zu beschwerlich für Menschen, die nicht problemlos laufen und sich noch nicht lange konzentrieren können. Der Austausch unter gleichermaßen Betroffenen aber helfe.

“Was in meinem Kopf vorgeht, kann nur jemand mit gleichen oder sehr ähnlichen Erfahrungen wirklich nachvollziehen und verstehen”, schätzt Ronny Woick ein. Alleinsein mit der Krankheit und den Folgen sei auch für Angehörige keine Option.

– Fotos/Text: Margit Jahn; Lausitzer Rundschau

Quelle: Lausitzer Rundschau, 01. Februar 2022, Forst/Lausitz

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